Kaiserslautern gegen Berlin
Was der Überschrift nach an ein traditionsreiches Duell zwischen zwei Fußballvereinen erinnert, wirft ein Schlaglicht auf eine der wohl gravierendsten Reformen, die das Strafrecht in den vergangenen Jahren erfahren hat: Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung.
Grob gesprochen geben diese Vorschriften der Staatsanwaltschaft und den Strafgerichten die Möglichkeit, Vermögensgegenstände, die aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden durch Straftaten erlangt worden sein sollen, der Staatskasse einzuverleiben. Die bislang bestehenden Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung hat der Gesetzgeber durch die im Jahr 2017 in Kraft getretene Novelle erheblich ausgeweitet – und das massiv zu Lasten Betroffener.
Was nach den Worten des damaligen Bundesministers der Justiz mit der frohen Botschaft „Verbrechen darf sich nicht lohnen“ als „wichtiger Schritt zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terror“ gefeiert wurde (so die Pressemitteilung des BMJV vom 13.07.2016), kann in der Praxis existenzbedrohende Auswirkungen haben – selbst für Personen, die überhaupt nicht in Verdacht stehen, an irgendwelchen Straftaten beteiligt gewesen zu sein.
Anwendbar sind die Vorschriften über die strafrechtliche Vermögensabschöpfung – anders als es in der Pressemitteilung des Justizministeriums anklingt – außerdem nicht nur im Bereich der organisierten Kriminalität und des Terrorismus, sondern im gesamten Strafrecht, einschließlich des Wirtschaftsstrafrechts und des Steuerstrafrechts.
Durch die Reform ergeben sich insbesondere auch für Unternehmen neue und erhebliche Risiken in Bezug auf ihr Vermögen. Zu nennen ist dabei nur die der Staatsanwaltschaft eingeräumte Möglichkeit, im Vorfeld einer strafgerichtlichen Verurteilung und somit auf bloßer Verdachtsbasis Erträge, die durch (angebliche) Straftaten, wie bspw. (Subventions-) Betrug, Untreue, Bestechung oder Steuerhinterziehung generiert worden sein sollen, durch Pfändung von Bankkonten oder durch Beschlagnahme sonstiger Vermögenswerte zu arrestieren.
Verschärft wird die Ausweitung des Vermögensabschöpfungsrechts auch dadurch, dass die neuen Regelungen nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich auch rückwirkend für alle Straftaten gelten sollen, die vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes begangen wurden. Das neue Recht birgt somit auch neue Risiken für Altfälle, die möglicherweise schon Jahre zurückliegen.
Gerade gegen diese rückwirkende Anordnung der Anwendbarkeit der neuen Vorschriften hat eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Kaiserslautern in einer aktuellen Entscheidung in einem Wirtschaftsstrafverfahren (Az.: 7 KLs 6052 Js 8343/16) grundsätzliche Bedenken angemeldet. Aufgrund der weitreichenden Verschärfungen müsse man davon ausgehen, dass es sich bei der Vermögensabschöpfung nach dem seit 2017 geltenden Recht nunmehr um eine „Strafe“ im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) handele. Bei Strafen aber sei nach der EMRK eine rückwirkende Anordnung, so wie sie das neue Vermögensabschöpfungsrecht für Altfälle vorsehe, unzulässig.
Aus Sicht des Landgerichts Kaiserslautern hat der deutsche Gesetzgeber gegen die EMRK verstoßen und somit nichts weniger als europäische Menschenrechtsstandards verletzt. Diese Feststellung steht in einem nicht unerheblichen Kontrast zu der zitierten Erfolgsmeldung aus dem Bundesjustizministerium. Nicht zu Unrecht ist die Entscheidung des Landgerichts Kaiserslautern bereits als „Paukenschlag“ bezeichnet worden.
Es bleibt abzuwarten, ob sich auch andere Gerichte dieser Fundamentalkritik anschließen werden. Die – naheliegende – Folgefrage, ob die gesetzlichen Änderungen des Vermögensabschöpfungsrechts überhaupt wirksam, d.h. mit der deutschen Verfassung vereinbar sind, musste das Landgericht Kaiserslautern nicht aufwerfen, da es für seine Entscheidung hierauf nicht mehr ankam. Zuständig für die Entscheidung dieser Frage wäre ohnehin das Bundesverfassungsgericht. Das Duell Kaiserslautern gegen Berlin könnte somit demnächst seine Fortsetzung in Karlsruhe finden.
Parsch Sauer Nuzinger Rechtsanwälte, 29.06.2018