Recht und Orden

Wie diese Woche der Presse zu entnehmen war, hat der ehemalige Präsident des Deutschen Fußballbundes, Dr. Theo Zwanziger, die beiden ihm in den Jahren 2005 und 2012 verliehenen Bundesverdienstkreuze an den Bundespräsidenten zurückgeschickt.

Er und sein Rechtsanwalt verbinden dies, wenn den Pressemeldungen geglaubt werden kann, mit schweren Vorwürfen insbesondere gegen die Steuerfahnder, die gegen ihn wie auch gegen andere prominente Persönlichkeiten aus dem Bereich des Fußballs im Kontext der WM-Vergabe 2006 ermittelt hatten. Die Staatsanwaltschaft hatte im Mai 2018 Anklage erhoben, das LG Frankfurt im Oktober 2018 die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt.

Für die Wut des Ex-Präsidenten gibt es offenbar im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen wirft er den Beamten vor, von Anfang an und schon anlässlich der Durchsuchung seines Privathauses die Presse informiert zu haben. Zum anderen hält er die gegen ihn gerichteten Vorwürfe der schweren Steuerhinterziehung für unberechtigt und ist offenbar der Überzeugung, die Fahnder hätten ihn wider besseres Wissen verfolgt.

Der Sachverhalt ist nicht nur wegen des Bekanntheitsgrades der Beschuldigten und der öffentlichen Bedeutung des Hintergrunds, insbesondere der Fussball-WM 2006 in Deutschland, von allgemeinem Interesse. Denn als Verteidiger im Wirtschaftsstrafrecht und im Steuerstrafrecht macht man in der Tat mit dem Verhalten von Ermittlungsbeamten höchst unterschiedliche Erfahrungen. Teilweise wird verantwortungsbewusst, sorgfältig und unter steter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorgegangen. In anderen Verfahren ist von all dem nichts zu spüren. Immer wieder ist zu beklagen, dass bewusst und gezielt Ermittlungsinhalte an die Öffentlichkeit gegeben werden mit der Folge öffentlicher Vorverurteilung, teilweise geradezu kampagnenartiger Feldzüge gegen die Beschuldigten. In der Tat wird vielfach flächendeckend durchsucht, beschlagnahmt, abgehört und oft auch inhaftiert, ohne dass zuvor gründlich geprüft wurde, ob die Verdachtsmomente für solche Maßnahmen tatsächlich ausreichen und auch ohne die Folgen, die solche Maßnahmen für die Betroffenen haben, in ein vernünftiges Verhältnis zu der Schwere des Verdachtsgrades und dem Gewicht der Vorwürfe zu setzen. Über ein Beispiel, das „Artemis“ Verfahren in Berlin, haben wir an dieser Stelle bereits vor einiger Zeit berichtet (zum Beitrag).

Vielfach enden solche Verfahren indes damit, dass Verurteilungen der Beschuldigten gerade nicht erfolgen, sondern die Verfahren eingestellt werden, die Durchführung von Hauptverhandlungen abgelehnt wird oder am Ende der Bundesgerichtshof zunächst erfolgte Verurteilungen aufhebt. In solchen Fällen fragt man sich, insoweit gemeinsam mit Herrn Dr. Zwanziger, tatsächlich, wie es zu einem solchen Missverhältnis zwischen dem Ermittlungsaufwand und den Belastungen, die die betroffenen Bürger durch die Strafverfahren erleiden mussten, auf der einen und der offensichtlich fehlenden Substanz der Vorwürfe auf der anderen Seite kommen kann.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des LG Frankfurt, mit der die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wurde, durchaus lesenswert und lehrreich (LG Frankfurt, Beschluss vom 15.10.2018, Az.: 5/2 KLs 11/18). Im Wesentlichen stellt das LG nüchtern fest, die den Beschuldigten vorgeworfene falsche Benennung des Zahlungsgrundes und des wirtschaftlichen Empfängers einer Betriebsausgabe sei für die Frage, ob der Betriebsausgabenabzug zurecht erfolgt sei oder nicht, nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Grundsätzlich komme es nicht einmal auf die Rechtmäßigkeit der Zahlungen, sondern nur auf den betrieblichen Zusammenhang an. Im Klartext heißt das: Die Zahlung in Höhe von € 6,7 Mio., die als Zuschuss zu einer WM-Gala deklariert worden war, war nach Auffassung des Gerichts zwar einem anderen Zweck gewidmet und für einen anderen Empfänger bestimmt als der Finanzbehörde mitgeteilt worden war, es habe aber ein objektiver Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb bestanden und nur darauf komme es an. Deswegen seien dem Fiskus keine Steuern vorenthalten worden.

Gegen die Entscheidung ist Beschwerde eingelegt, man darf gespannt sein, wie das OLG Frankfurt den Fall beurteilt. Festzuhalten ist aber eines, und das hat diese Konstellation mit vielen Steuerstrafverfahren gemeinsam: Ganz offensichtlich kann man über die Frage, ob hier überhaupt ein Steuerschaden entstanden ist, zumindest streiten, und zwar aus einem sehr einfachen rechtlichen Grund. Wenn das so ist, dann sind zumindest Zweifel daran angebracht, ob die handelnden Personen die gegenteilige Auffassung tatsächlich in ihr Vorstellungsbild aufgenommen, also vorsätzlich gehandelt hatten. Auch das ist im Steuerstrafrecht überaus häufig.

Insofern muss man den öffentlichkeitswirksamen Schritt von Herrn Dr. Zwanziger begrüßen: Er lenkt den Blick darauf, dass das Klima im Wirtschaftsstrafrecht und Steuerstrafrecht immer rauer wird und dass vielfach Sachverhalte zum Gegenstand als ausufernde strafrechtliche Ermittlungen gemacht werden, die nicht in Strafverfahren gehören, sondern auf der Ebene der Finanzverwaltung oder anderer zuständiger Behörden geklärt werden können und geklärt werden sollten.

Parsch Sauer Nuzinger Rechtsanwälte

Mannheim, 26. Juli 2019

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